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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2003 » Pressemitteilung Nr. 132/03 vom 6.11.2003

Siehe auch:  Urteil des 1. Strafsenats vom 6.11.2003 - 1 StR 24/03 -

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 132/2003

Bundesgerichtshof zur Strafbarkeit von Kursmanipulationen

durch "Scalping"

Das Landgericht Stuttgart hat die Angeklagten O. und K. unter anderem wegen verbotener Insidergeschäfte zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

O. war Redakteur von Börsenfachzeitschriften, trat in einschlägigen Fernsehsendungen (3-sat-börse; n-tv usw.) auf und gab dort Anlagetips. 1999 und 2000 galt er sowohl bei interessierten Privatanlegern als auch bei institutionellen Großanlegern als "der Anlagespezialist" und "Meinungsmacher" auf dem Gebiet des "Neuen Marktes".

Gegenstand des Verfahrens sind Vorwürfe, die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Anlageberater stehen. In dieser Funktion beriet O. für den Bereich des "Neuen Marktes" zwei Aktienfonds mit erheblichem Anlagevolumen, die seine Anlageempfehlungen in der Regel sofort umsetzten. Das machten sich die Angeklagten zunutze. Nach den Feststellungen des Landgerichts gingen sie davon aus, daß eine Kaufempfehlung durch O. an die von ihm beratenen Fonds aufgrund der mit Sicherheit zu erwartenden Orders zu einem Kursanstieg führen würde. Um einen maximalen Gewinn zu erzielen, sollte sich O. zuvor selbst mit den jeweiligen Aktien ein-decken, deren Kurs anschließend durch eine Empfehlung, die die Größenordnung der von den Fonds zu erwerbenden Stückzahlen einschloß, in die Höhe treiben ("pushen") und die Aktien nach dem erwarteten Kursanstieg wieder verkaufen. In einem der Fälle, die den Angeklagten zur Last gelegt werden, hatte O. die Aktien innerhalb gut einer Stunde zunächst selbst erworben und anschließend mit Gewinn wieder verkauft, nachdem er in der Zwischenzeit die Empfehlung ausgesprochen hatte und diese von dem betreffenden Fonds umgesetzt worden war.

Auf diese Weise erwirtschaftete O. im Tatzeitraum vom 9. Oktober 2000 bis zum 23. Oktober 2000 teilweise für sich allein, teilweise für sich und K. sowie von diesem angeworbene private Geldgeber bei einem Aktienumsatz im Volumen von 846.421,10 € einen Gewinn von umgerechnet insgesamt 115.262,10 €. Den Geldgebern waren die Geschäfte im Hinblick auf die Möglichkeiten der Kursbeeinflussung durch O. als absolut sicher beschrieben worden.

Die von den Angeklagten praktizierte Vorgehensweise -Erwerb von Aktien in der Absicht, diese anschließend zum Kauf zu empfehlen, um sie dann bei infolge der Empfehlung steigendem Kurs wieder zu verkaufen- bezeichnet man als "Scalping".

Im vorliegenden Revisionsverfahren ging es vor allem um die höchstrichterlich bislang nicht geklärte Streitfrage, ob "Scalping" als verbotenes Insidergeschäft gemäß §§ 13, 14, 38 Abs.1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) oder als unzulässige Kursmanipulation nach dem zur Tatzeit geltenden § 88 Nr. 2 Börsengesetz a.F. (jetzt § 20a Abs.1 Nr. 2 WpHG) einzustufen ist. Die Vorinstanz war der vom Landgericht Frankfurt am Main im "Fall Prior" und der im Schrifttum verbreiteten Ansicht gefolgt, wonach in diesen Fällen ein Insidergeschäft vorliege.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 20a WpHG, der auf den Entwurf einer EG-Richtline über Insidergeschäfte und Marktmanipulation zurückgeht, entschieden, daß hier die Vorschriften über eine verbotene Kursmanipulation anzuwenden sind; um ein Insidergeschäft handelt es sich nicht. Die für § 88 Nr. 2 BörsenG a.F. erforderliche Täuschungshandlung sah der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall darin, daß die Empfehlungen an die Fonds mit dem Ziel der Kursbeeinflussung ausgesprochen wurden. Bei dieser Sachlage kam es nicht darauf an, ob die jeweiligen Aktien auch bei sachgerechter Beurteilung empfehlenswert waren, worauf sich der Angeklagte O. unter anderem berufen hatte.

Auf die Revision der Angeklagten hat der Bundesgerichtshof das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das Landgericht Stuttgart muß nun das Verhalten der Angeklagten im Hinblick auf Verstöße gegen § 88 Nr.2 BörsG oder § 20a Abs.1 Nr.2 WpHG erneut prüfen.

Urteil vom 6. November 2003 – 1 StR 24/03

Karlsruhe, den 6. November 2003

 

 

 

 

 

 

Die maßgeblichen Vorschriften lauten wie folgt:Wertpapierhandelsgesetz:

§ 13 Insider

  (1) Insider ist, wer

1.

als Mitglied des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans oder als persönlich haftender Gesellschafter des Emittenten oder eines mit dem Emittenten verbundenen Unternehmens,

2.

aufgrund seiner Beteiligung am Kapital des Emittenten oder eines mit dem Emittenten verbundenen Unternehmens oder

3.

aufgrund seines Berufs oder seiner Tätigkeit oder seiner Aufgabe bestimmungsgemäß

Kenntnis von einer nicht öffentlich bekannten Tatsache hat, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere bezieht und die geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen (Insidertatsache).

(2) Eine Bewertung, die ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Tatsachen erstellt wird, ist keine Insidertatsache, selbst wenn sie den Kurs von Insiderpapieren erheblich beeinflussen kann.

§ 14 Verbot von Insidergeschäften

(1) Einem Insider ist es verboten,

1.

unter Ausnutzung seiner Kenntnis von einer Insidertatsache Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern,

2.

einem anderen eine Insidertatsache unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen,

3.

einem anderen auf der Grundlage seiner Kenntnis von einer Insidertatsache den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen.

(2) Einem Dritten, der Kenntnis von einer Insidertatsache hat, ist es verboten, unter Ausnutzung dieser Kenntnis Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern.

§ 20a Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation

  (1) 1Es ist verboten,

1.

Unrichtige Angaben über Umstände zu machen, die für die Bewertung eines Vermögenswertes erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften zu verschweigen, wenn die Angaben oder das Verschweigen geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Vermögenswertes oder auf den Preis eines Vermögenswertes an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EuropäischenWirtschaftsraum einzuwirken oder

2.

sonstige Täuschungshandlungen vorzunehmen, um auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Vermögenswertes oder auf den Preis eines Vermögenswertes an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzuwirken.

Vermögenswerte im Sinne des Satzes 1 sind Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate, Rechte auf Zeichnung, ausländische Zahlungsmittel im Sinne des § 63 Abs. 2 des Börsengesetzes und Waren, die

1.

an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den geregelten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind, oder

2.

in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.

  (2) 1Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über

1.

Umstände, die für die Bewertung von Vermögenswerten erheblich sind,

2.

das Vorliegen einer sonstigen Täuschungshandlung und

3.

Handlungen und Unterlassungen, die in keinem Fall einen Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Satz 1 darstellen.

§ 38 Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.

Entgegen einem Verbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 ein Insiderpapier erwirbt oder veräußert,

2.

Entgegen einem Verbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 eine Insidertatsache mitteilt oder zugänglich macht,

3.

Entgegen einem Verbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 den Erwerb oder die Veräußerung eines Insiderpapiers empfiehlt oder

4.

eine in § 39 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 bezeichnete Handlung begeht und dadurch auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Vermögenswertes oder auf den Preis eines Vermögenswertes an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einwirkt.


§ 39 Bußgeldvorschriften


  (1) Ordnungswidrig handelt, wer

1.

Entgegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, eine Angabe macht oder einen Umstand verschweigt,

2.

Entgegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, eine Täuschungshandlung vornimmt,

….

  (4) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2, des Absatzes 2 Nr. 2 Buchstabe a und der Nr. 3 mit einer Geldbuße bis zu eineinhalb Millionen Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstabe b und d mit einer Geldbuße bis zu zweihunderttausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstabe c, Nr. 2 Buchstabe b und Nr. 8 und des Absatzes 3 Nr. 1 Buchstabe b mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

Börsengesetz (BörsG)

§ 88


Wer zur Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren, Bezugsrechten, ausländischen Zahlungsmitteln, Waren, Anteilen, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmers gewähren sollen, oder von Derivaten i.S.d. § 2 Abs.2 des Wertpapierhandelsgesetzes

1. unrichtige Angaben über Umstände macht, die für die Bewertung der Wertpapiere, Bezugsrechte, ausländischen Zahlungsmittel, Waren, Anteile oder Derivate erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden rechtsvorschriften verschweigt oder


2. sonstige auf Täuschung berechnete Mittel anwendet,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013

Telefax (0721) 159-5501

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