Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 116/2002

 

 

Bundesgerichtshof entscheidet über vertragliche Haftung

privatrechtlich organisierter Beschäftigungsstellen

für Fehler eines Zivildienstleistenden

Die klagende Bundesrepublik Deutschland hat für einen von einem Zivildienstleistenden verschuldeten Schadensfall nach Amtshaftungsgrundsätzen Ersatz geleistet und die Beklagte, Trägerin eines heilpädagogischen Heims – einer anerkannten Beschäftigungsstelle im Sinn des Zivildienstgesetzes -, auf Ersatz der verauslagten Beträge in Anspruch genommen. Der Zivildienstleistende hatte einem behinderten Heimbewohner beim Baden schwere Verbrühungen zugefügt, als er ihn in eine mit heißem Wasser gefüllte Badewanne setzte. Die Bundesrepublik hat der gesetzlichen Krankenkasse des Geschädigten die erheblichen Kosten der langwierigen Behandlung erstattet. Sie hat in dem anhängigen Verfahren die Auffassung vertreten, ungeachtet ihrer grundsätzlichen Verpflichtung, nach Amtshaftungsgrundsätzen für ein Fehlverhalten von Zivildienstleistenden einzustehen, komme eine vertragliche Haftung der Beklagten in Betracht, auf die sie den Geschädigten wegen seiner Ansprüche verweisen dürfe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und eine Pflicht der Beklagten, wegen einer Verletzung des Heimvertrags Ersatz zu leisten, verneint. Das Berufungsgericht hat sowohl die Bundesrepublik als auch die Heimträgerin für ersatzpflichtig erachtet und befunden, die Beklagte müsse der Klägerin in dem zwischen den Parteien vorzunehmenden Gesamtschuldnerausgleich die Hälfte der verauslagten Beträge erstatten.

Der unter anderem für das Amtshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat ist dem Berufungsgericht im Ergebnis gefolgt. Er hat seine Rechtsprechung bestätigt, nach der die Bundesrepublik für Schäden, die ein Zivildienstleistender in Ausübung seines Dienstes Dritten zufügt, auch in den Fällen nach Amtshaftungsgrundsätzen einzustehen hat, in denen die anerkannte Beschäftigungsstelle, in deren Dienst der Schädiger tätig geworden ist, privatrechtlich organisiert ist und - von ihrer Rechtsstellung als hoheitlich beliehener Einrichtung abgesehen – privatrechtliche Aufgaben wahrnimmt. Zugleich hat er eine Haftung der Beklagten wegen Verletzung des mit dem Heimbewohner geschlossenen Vertrags bejaht; insoweit müsse die Beklagte, die sich zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten des bei ihr beschäftigten Zivildienstleistenden bedient habe, für dessen Verschulden in gleicher Weise einstehen, wie wenn sie sonstiges eigenes Personal mit dieser Aufgabe betraut hätte. Die hoheitliche Zielsetzung, die dem Zivildienst – ähnlich dem Wehrdienst – eigen ist, nehme dem Geschädigten nicht seine vertraglichen Ansprüche gegen den Träger des Heims, der selbst entscheiden könne, welcher Personen er sich zur Erfüllung seiner Vertragspflichten bediene.

Der III. Zivilsenat hat die sonst in Amtshaftungssachen bestehende Möglichkeit, bei einem nur fahrlässigen Verhalten des Beamten den Verletzten auf anderweitige Ersatzansprüche zu verweisen, in bezug auf die vertraglichen Ansprüche des Geschädigten gegen die Beklagte verneint. Er hat dabei auf die besondere Ausgestaltung des Zivildienstes, der in einer dafür anerkannten Beschäftigungsstelle oder in einer Zivildienstgruppe geleistet werden kann, hingewiesen und das damit verbundene Zusammenwirken von Bundesamt und Beschäftigungsstellen, die gleichsam in die Zivildienstverwaltung des Bundes eingegliedert sind, hervorgehoben, das es bei einer wertenden Betrachtungsweise gebiete, ähnlich den Fällen der vermögensrechtlichen Einheit der öffentlichen Hand der Bundesrepublik den Einwand zu versagen, den Geschädigten auf Ansprüche gegen die – öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisierte – Beschäftigungsstelle zu verweisen. Bei den danach anwendbaren Regeln über die Ausgleichungspflicht unter Gesamtschuldnern hat der III. Zivilsenat dem Zivildienstgesetz keine Wertungen entnehmen können, die Ansprüche der hier vorliegenden Art allgemein dem Bund oder der Beschäftigungsstelle zuweisen. Da auch sonst keine Umstände vorlagen oder erkennbar waren, dem Bund oder der Beschäftigungsstelle einen höheren Verantwortungsbeitrag zuzumessen, hat er die Beklagte zur Erstattung der Hälfte der vom Bund aufgewendeten Beträge für verpflichtet gehalten.

Urteil vom 14. November 2002 – III ZR 131/01

Karlsruhe, den 15. November 2002

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