Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 27/2002

Bundesgerichtshof entscheidet über Haftung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Beschluß des Bewertungsausschusses

Bis März 1994 konnten niedergelassene Ärzte, die für die Behandlung ihrer Patienten Basislaborleistungen in Anspruch nehmen mußten, diese entweder selbst erbringen oder die Patienten an Fachärzte für Laboratoriumsmedizin überweisen. Aufgrund eines vom zuständigen Bewertungsausschuß einstimmig gefaßten Beschlusses waren solche Überweisungen seit dem 1. April 1994 unzulässig. Der Bewertungsausschuß besteht aus sieben von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gestellten Vertretern und einer gleichen Anzahl von Vertretern der Bundesverbände der Krankenkassen, der Bundesknappschaft und der Verbände der Ersatzkassen. Durch den Bewertungsausschuß vereinbaren die genannten Körperschaften und Verbände als Bestandteil der Bundesmantelverträge einheitliche Bewertungsmaßstäbe für die ärztlichen Leistungen.

Das Bundessozialgericht hat durch Urteil vom 20. März 1996 (BSGE 78, 91) entschieden, daß das Überweisungsverbot der gesetzlichen Grundlage entbehre und in den Zulassungsstatus der Laborärzte eingreife. Im Anschluß hieran haben die Kläger, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Mitglieder einer laborärztlichen Gemeinschaftspraxis, die Kassenärztliche Bundesvereinigung aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung und des enteignungsgleichen Eingriffs wegen ihrer durch das Überweisungsverbot verursachten Vermögenseinbußen in Anspruch genommen.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Ersatzpflicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung festgestellt. Er hat aus der Aufgabenwahrnehmung der Mitglieder des Bewertungsausschusses, die den Weisungen der entsendenden Körperschaften und Verbände unterliegen, die haftungsrechtliche Verantwortung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die von ihr entsandten Mitglieder entnommen und ausgesprochen, daß der Eingriff in den Zulassungsstatus eines Vertragsarztes, der – wie hier – ohne hinreichende gesetzliche Grundlage vorgenommen wurde, auf einer Verletzung von Amtspflichten beruht, die der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auch gegenüber dem Vertragsarzt obliegen. Der III. Zivilsenat hat ferner ein Verschulden der Mitglieder des Bewertungsausschusses angenommen, da von ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem Gremium, das zentral und auf höchster Ebene in der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen mit dem einheitlichen Bewertungsmaßstab Vergütungsgrundlagen zu entwickeln hat, ein hohes Maß an Sachkenntnis zu erwarten und dementsprechend die Fähigkeit zu besonders gründlicher Prüfung zu verlangen sei.

Zur Frage, ob auch eine Haftung nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht kam, mußte der III. Zivilsenat nicht mehr Stellung nehmen.

Urteil vom 14. März 2002 - III ZR 302/00

Karlsruhe, den 14. März 2002

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