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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2002 » Pressemitteilung Nr. 69/02 vom 10.7.2002

Siehe auch:  Urteil des VIII. Zivilsenats vom 10.7.2002 - VIII ZR 199/01 -

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 69/2002

"Grüne Woche Berlin" 1999 keine Freizeitveranstaltung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über den Widerruf von

Haustürgeschäften

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß die Messe "Grüne Woche Berlin" 1999 keine Freizeitveranstaltung im Sinne des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften war. Er hat damit eine Entscheidung des I. Zivilsenats aus dem Jahre 1992 bestätigt, die zu der "Grünen Woche" 1988 ergangen ist.

In dem jetzt entschiedenen Fall hatten die beklagten Eheleute bei der Klägerin, einem Heizungsbauunternehmen, auf der "Grünen Woche" 1999 eine Heizungsanlage zur Selbstmontage bestellt. Schon nach wenigen Tagen hatten sie ihre Bestellung widerrufen. Dafür hatten sie sich insbesondere auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften (jetzt § 312 Abs. 1 Nr. 2 BGB) berufen. Danach wird die Vertragserklärung, die ein privat handelnder Kunde anläßlich einer Freizeitveranstaltung abgegeben hat, erst wirksam, wenn der Kunde sie nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft. Nachdem die Beklagten die Abnahme der Heizungsanlage verweigert hatten, hatte die Klägerin von ihnen Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt. Landgericht und Oberlandesgericht hatten der Klage stattgegeben. Die zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, ein Widerrufsrecht nach dem Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften bestehe nicht, weil es sich bei der "Grünen Woche Berlin" 1999 nicht um eine Freizeitveranstaltung gehandelt habe. Der Begriff der Freizeitveranstaltung sei durch Sinn und Zweck der Regelung im Rahmen der Zielsetzung des Gesetzes zu bestimmen. Dieses solle den Verbraucher vor der Gefahr schützen, in bestimmten, dafür typischen Situationen bei der Anbahnung und dem Abschluß von Geschäften unter Beeinträchtigung seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit überrumpelt oder sonst auf unzulässige Weise zu unüberlegten Geschäftsabschlüssen gedrängt zu werden. Von einem Geschäftsabschluß anläßlich einer Freizeitveranstaltung könne nur gesprochen werden, wenn Freizeitangebot und Verkaufsveranstaltung derart organisatorisch miteinander verwoben seien, daß der Kunde mit Blick auf Ankündigung und Durchführung der Veranstaltung in eine freizeitlich unbeschwerte Stimmung versetzt werde und sich dem auf einen Geschäftsabschluß gerichteten Angebot nur schwer entziehen könne. Nur in solchen Fällen lasse sich von einer Gefahr der Überrumpelung des Verbrauchers sprechen, der das Gesetz begegnen wolle.

Die "Grüne Woche Berlin" 1999 sei danach keine Freizeitveranstaltung. Trotz der zahlreichen Unterhaltungsangebote und kostenlosen Warenproben, die zunehmend mehr Publikum anzögen, handele es sich um eine vom Zweck der Leistungsschau geprägte Veranstaltung. Der Besucher erkenne ihren messe- und marktähnlichen Charakter. Die Art der Verknüpfung von Freizeitangebot und gewerblichem Angebot ziehe nicht die Gefahr der Überrumpelung des Verbrauchers nach sich. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sei die Werbung für die "Grüne Woche", die auch als "Ausstellung für Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau" bezeichnet werde, vor allem auf die zur Schau gestellten Güter und nicht auf das Unterhaltungsprogramm bezogen. Dieses sei weitgehend von dem Waren- und Informationsangebot räumlich getrennt und diene vorwiegend der Darstellung der gewerblichen Leistung. In Anbetracht der Vielzahl der Verkaufsstände in großen Hallen und der Masse der Besucher werde es dem einzelnen auch nicht besonders schwer gemacht, sich den Verkaufsbemühungen der Händler zu entziehen. Auf die Art oder den Wert der konkret angebotenen Ware komme es nicht an, da nur eine einheitliche Bewertung möglich sei.

Da den Beklagten auch ein Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz nicht zustand und die von ihnen erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bzw. Irrtums ebenfalls nicht durchgriff, war die Klägerin mit ihrer Schadensersatzklage erfolgreich.

Urteil vom 10. Juli 2002 - VIII ZR 199/01

Karlsruhe, den 10. Juli 2002

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831

 

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