Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 12/2002

Bundesgerichtshof zum Fall des in Neckargemünd

getöteten Rollstuhlfahrers

 

Eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Heidelberg hatte den Angeklagten, der den Tatvorwurf bestreitet, wegen Totschlags und Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und einem Monat verurteilt. Nach den Feststellungen waren der Angeklagte und sein ebenfalls aus Vietnam stammendes späteres Opfer, das infolge Kinderlähmung an den Rollstuhl gefesselt war, seit Jahren befreundet. Der Angeklagte gab lediglich vor, in Düsseldorf eine Wohnung sowie eine Lehrstelle zu haben; tatsächlich war er erwerbslos und verbrachte die meiste Zeit in Spielhallen. Deshalb war er nicht in der Lage, die von seinem Freund geliehenen und nun zurückgeforderten 8.000 DM zurückzuzahlen. Der Angeklagte, der sich immer tiefer in Lügen verstrickt hatte und deren Offenbarung gegenüber seiner Familie fürchtete, suchte daraufhin am 8. September 2000 seinen Freund in dessen Wohnung in Neckargemünd auf. Dort brachte er dem zunächst im Rollstuhl sitzenden und dann auf dem Boden liegenden Opfer eine Vielzahl von Messerstichen bei, so daß dieses binnen weniger Minuten verblutete. Nach den Feststellungen des Landgerichts war Auslöser für die Tat die Angst des Angeklagten vor dem mit der Aufdeckung seines Doppellebens verbundenen "Gesichtsverlust". Der Angeklagte nahm ein Mobiltelefon und Geld seines Opfers an sich und floh sodann vom Tatort.

Das Landgericht hat ein Handeln aus "niedrigen Beweggründen" oder Habgier und damit eine Bestrafung wegen Mordes abgelehnt. Dagegen wendete sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die eine Bestrafung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes begehrte. Der Angeklagte dagegen erstrebte mit seiner Revision einen Freispruch.

Die Revision des Angeklagten führte lediglich zur Aufhebung der Verurteilung wegen Unterschlagung. Dagegen hatte die Revision der Staatsanwaltschaft im vollen Umfange Erfolg. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil auf diese Revision insgesamt aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts Heidelberg zurückverwiesen, weil die Indizienbeweisführung, mit der das Landgericht die Mordmerkmale "niedriger Beweggrund" und "Habgier" verneint hatte, rechtsfehlerhaft war. Zentral für die diesbezügliche Beweiswürdigung war die Frage, ob der Angeklagte bereits mit der Tatwaffe die Wohnung seines Freundes betreten hatte. Dieses mögliche Belastungsindiz hatte das Landgericht mit unzureichender Begründung abgelehnt.

Urteil vom 6. Februar 2002 - 1 StR 513/01

Karlsruhe, den 6. Februar 2002

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