Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 95/2001

Verurteilung im Mordfall ohne Leiche aufgehoben

Das Landgericht Lübeck hat den Angeklagten wegen Mordes an seiner Ehefrau zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieben der Angeklagte und seine Ehefrau in der Rechtsform von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mehrere seit Anfang der 80er Jahre aufgebaute Fitneß- und Sonnenstudios. Die Gesellschaftsanteile sowie der weit überwiegende Teil des ansehnlichen Vermögens befanden sich allein in der Hand der Ehefrau.

Nachdem sich das Verhältnis der Eheleute zunehmend – auch über geschäftliche Angelegenheiten – verschlechtert und der Angeklagte mehrfach unberechtigt hohe Beträge von Geschäftskonten zu seinen Gunsten abgehoben oder auf eigene Konten überwiesen hatte, entzog die Ehefrau ihm seit Sommer 1997 schrittweise seine Stellung als Geschäftsführer der Studios, widerrief schließlich Ende 1998 seine Vollmachten für sämtliche Konten und leitete Schritte zur Scheidung der Ehe ein. Dies wollte der Angeklagte nicht hinnehmen. Er sah seine persönliche und wirtschaftliche Situation so grundlegend gefährdet, daß er Anfang 1999 beschloß, seine Ehefrau zu töten.

Am Nachmittag des 6. Januar 1999 verschwand die Ehefrau des Angeklagten spurlos. Sie ist seither nicht wieder aufgetaucht. Trotz intensiver Suche konnten weder ihre Leiche noch überhaupt Spuren einer Gewalttat gefunden werden. Gleichwohl hat sich das Landgericht aufgrund eines umfangreichen Indizienprozesses davon überzeugt, daß der Angeklagte seine Ehefrau getötet hat. Wegen des Fehlens jeglicher Tatspuren hat es jedoch nicht näher zu klären vermocht, in welcher Weise dies im Einzelnen geschehen ist. Daher hat es alternativ sechs verschiedene Möglichkeiten des Tathergangs - teilweise mit weiteren Untervarianten - festgestellt, die nach seiner Meinung sämtlich eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes tragen.

Auf die Revision des Angeklagten hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Lübeck zurückverwiesen, weil der Angeklagte bei einem der vom Landgericht für möglich gehaltenen Tatabläufe nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts bestraft werden kann.

Nach dieser Variante hatte der Angeklagte geplant, seine Ehefrau im Wohnhaus der Familie durch Fesselung und/oder Knebelung und/oder Betäubung in seine Gewalt zu bringen, sie im Kofferraum seines Pkw zu einem angemieteten anderen Fahrzeug sowie mit diesem zu dem von ihm ausgewählten Tatort zu fahren, der 100 km oder mehr vom Wohnhaus entfernt lag. Dort wollte er seiner Ehefrau möglicherweise zunächst die Unterschrift unter eine Generalvollmacht abnötigen und sie sodann umbringen. Nicht ausschließbar war aber, daß das Tatopfer aber bereits durch die Fesselung, die Knebelung oder den Einsatz des Betäubungsmittels weit von dem vorgesehenen Tatort entfernt und Stunden vor der vom Angeklagten geplanten eigentlichen Tötungshandlung ums Leben gekommen ist. Der 3. Strafsenat hat ausgeführt, daß der Angeklagte in diesem Falle mit der Fesselung, Knebelung oder Betäubung seiner Ehefrau nach seiner Vorstellung von der Tat noch nicht unmittelbar zur Tötung angesetzt und daher die Grenze zum Mordversuch noch nicht überschritten habe. Habe der Angeklagte aber bereits durch eine Handlung, die sich noch als Vorbereitung des geplanten eigentlichen Tötungsgeschehens darstellt, unbeabsichtigt den Tod des Tatopfers herbeigeführt, komme nur eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge, Freiheitsberaubung mit Todesfolge oder fahrlässiger Tötung in Betracht. Die Sache muß daher vom Landgericht neu verhandelt werden.

Urteil vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01

Karlsruhe, den 12. Dezember 2001

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831