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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2001 » Pressemitteilung Nr. 71/01 vom 19.10.2001

Siehe auch:  Urteil des 2. Strafsenats vom 19.10.2001 - 2 StR 259/01 -

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 71/2001

 

 

Mord aus niedrigen Beweggründen bei bewußtem Abreagieren von frustrationsbedingten Aggressionen

 

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft ein Urteil des Landgerichts Bonn gegen drei Angeklagte aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Das Landgericht hatte die Angeklagten wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen von 9 und 8 Jahren bzw. einer Jugendstrafe von 7 Jahren verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts traktierten die drei erheblich alkoholisierten rußlanddeutschen Angeklagten gemeinsam einen polnischen Obdachlosen mit heftigen Fußtritten gegen Kopf und Hals, wodurch dieser zu Tode kam, was die Angeklagten auch zumindest billigend in Kauf nahmen. Anlaß für die Tat waren bei zwei der Angeklagten Äußerungen des Opfers in polnischer Sprache, wodurch sie ihn als in der sozialen Achtung tiefer stehend ansahen und die aufgrund ihrer eigenen unbefriedigenden Situation aufgestauten Aggressionen an ihm ausließen. Der dritte Angeklagte, der den Anlaß nicht mitbekommen hatte, beteiligte sich mit einem offenkundigen Willen zur Gewaltausübung an der Tat, ohne daß das Landgericht meinte, insoweit ein Motiv festzustellen zu können.

Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Ablehnung eines Mordes aus niedrigen Beweggründe richtete, hatte Erfolg. Das Landgericht hat das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe nicht umfassend erörtert. Es hat sich insbesondere nicht damit auseinandergesetzt, daß dieses Merkmal auch erfüllt sein kann, wenn ein Angeklagter bewußt seine frustrationsbedingten Aggressionen an einem Opfer abreagiert, nur weil er ihn als sozial tiefer stehend ansieht. Darüber hinaus kann nach Auffassung des Senats ein niedriger Beweggrund auch gegeben sein, wenn der Täter in dem Bewußtsein handelt, keinen Grund für eine Tötung zu haben und zu brauchen. Eine solche Einstellung, welche das Leben des Opfers zum Spielball eigenen Gutdünkens macht, steht auf sittlich tiefster Stufe und erfüllt damit die Voraussetzungen des Mordmerkmals. Auch unter diesem Gesichtspunkt wird der neue Tatrichter die Sache zu prüfen haben.

Urteil vom 19. Oktober 2001 – 2 StR 259/01

Karlsruhe, den 19. Oktober 2001

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831

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