Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 13/2001

Zur Anwendung der Hausmann-Rechtsprechung bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft

Der Kläger, der aufgrund früherer Verurteilung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 800 DM an seine die gemeinsamen minderjährigen Kinder betreuende geschiedene Ehefrau zu zahlen hat, lebt inzwischen in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einer anderen Partnerin zusammen, führt dort den Haushalt und betreut das aus dieser Verbindung hervorgegangene Kind, während seine Partnerin einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Seine Klage, das frühere Urteil wegen Leistungsunfähigkeit abzuändern, führte zur Herabsetzung des Ehegattenunterhalts auf gut 200 DM. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Zu beurteilen war die Frage, ob die Beklagte, die wegen der Betreuung der gemeinschaftlichen Kinder unterhaltsbedürftig ist, den Rollenwechsel des Klägers, der in der früheren Familie der Ernährer war, hinnehmen muß.

Zur Entscheidung dieser Frage hat der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat seine sog. Hausmann-Rechtsprechung herangezogen. Danach kann ein wiederverheirateter Ehegatte im gegenseitigen Einvernehmen mit seinem neuen Ehegatten zwar die Haushaltsführung und gegebenenfalls die Kinderbetreuung allein übernehmen. Unterhaltsrechtlich entlastet die häusliche Tätigkeit den unterhaltspflichtigen Ehegatten aber nur gegenüber den Mitgliedern seiner neuen Familie, denen diese Fürsorge allein zugute kommt. Da seine geschiedene Ehefrau und die bei ihr lebenden gemeinsamen Kinder dem Kind aus der neuen Ehe unterhaltsrechtlich im Rang gleichstehen, darf der unterhaltspflichtige Ehegatte sich nicht ohne weiteres auf die Sorge für die Mitglieder seiner neuen Familie beschränken. Die Rollenwahl muß deshalb nur unter engen Voraussetzungen hingenommen werden. Das kann auch davon abhängen, daß der Unterhaltspflichtige zumutbare Vorsorgemaßnahmen zur Sicherstellung des Unterhalts der alten Familie trifft. Im übrigen muß der unterhaltspflichtige Ehegatte – um die Beeinträchtigung der Ansprüche der gleichrangigen weiteren Unterhaltsberechtigten so gering wie möglich zu halten – seine häusliche Tätigkeit – gegebenenfalls unter Inanspruchnahme einer entgeltlichen Betreuung des Kindes durch Dritte - auf das unbedingt notwendige Maß beschränken und grundsätzlich wenigstens eine Nebentätigkeit aufnehmen, um auch zum Unterhalt seiner ersten Familie beitragen zu können. Der BGH vertritt die Auffassung, daß diese Grundsätze auch dann zur Anwendung gelangen, wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht wiederverheiratet ist, sondern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner zusammenlebt und ein aus dieser Verbindung stammendes Kind betreut.

Im Gegensatz zum Oberlandesgericht hat der BGH im vorliegenden Fall die erfolgte Rollenwahl für die Unterhaltsberechtigten aus der ersten Ehe nicht für hinnehmbar gehalten. Er hat erneut betont, daß für die Frage, ob der Rollentausch gerechtfertigt ist, ein strenger, auf enge Ausnahmefälle begrenzter Maßstab gilt, der einen wesentlichen, den Verzicht auf die Aufgabenverteilung unzumutbar machenden Vorteil für die neue Familie voraussetzt. Die weiteren Unterhaltsberechtigten brauchen eine Einbuße ihrer Unterhaltsansprüche jedenfalls dann nicht hinzunehmen, wenn das Interesse des Unterhaltspflichtigen und seiner neuen Familie ihr eigenes Interesse an der Beibehaltung der bisherigen Unterhaltssicherung nicht deutlich überwiegt. Dafür reicht es unter keinen Umständen aus, wenn – wie im Streitfall – die Partnerin des Unterhaltspflichtigen nur ein unwesentlich höheres Einkommen erzielt als er es selbst durch Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit erzielen könnte.

Der BGH hat das angefochtene Urteil deshalb aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Da die Rollenwahl innerhalb der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach den bisherigen Feststellungen von der Beklagten nicht akzeptiert zu werden braucht, ist dem Kläger eine Vollerwerbstätigkeit zuzumuten.

Urteil vom 21. Februar 2001 – XII ZR 308/98 –

Karlsruhe, den 21. Februar 2001

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