Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 48/2000

 

Verurteilung eines Fluchthelfers wegen Erschießung
eines Grenzpostens an der Berliner Mauer bestätigt

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte in einem Revisionsverfahren über die Verurteilung eines Mannes zu entscheiden, der im Jahre 1962 in Berlin (Ost) einen Grenzposten an der Berliner Mauer erschossen hat. Der Angeklagte, der selbst bereits vor dem Mauerbau nach Berlin (West) geflüchtet war, wollte auch seiner Frau und seinen Kindern die Flucht ermöglichen; er hatte einen Tunnel unter der Mauer gegraben, der in den Keller eines unmittelbar im Grenzbereich in Berlin (Ost) gelegenen Hauses führte. Als er mit seinen fluchtwilligen Familienangehörigen dieses Haus betreten wollte, trat ihm der Grenzposten, der eine Personenkontrolle vornehmen wollte, entgegen. Um ein Scheitern der Flucht zu verhindern, erschoß der Angeklagte den Grenzposten mit einer mitgeführten Pistole.

Der BGH hat die Annahme des Landgerichts Berlin gebilligt, daß die Tötung weder durch Notwehr gerechtfertigt noch durch Notstand entschuldigt war. Der Grenzposten hatte seinerseits nicht etwa zum Schußwaffengebrauch angesetzt. Daher hat der BGH auf die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers, eines Bruders des Getöteten, die Verurteilung bestätigt, wobei sogar die rechtlichen Voraussetzungen eines Mordes vorlagen, da der Angeklagte bewußt die Ahnungslosigkeit des Grenzposten in der Tatsituation ausnutzte und somit heimtückisch handelte. Die Frage einer etwaigen Verjährung der Tat stellte sich nicht; Mord verjährt nach dem maßgeblichen Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht.

Allerdings konnte mit Rücksicht auf den beträchtlichen Zeitablauf und angesichts dessen, daß sich der Angeklagte in der tragischen Tatsituation in einer notstandsähnlichen Situation befand und ihm darüber hinaus ein - allerdings vermeidbarer - Verbotsirrtum zugute zu halten war, die vom Landgericht lediglich wegen Totschlags verhängte Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährung gleichwohl bestehen bleiben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.

 

Urteil vom 5. Juli 2000 - 5 StR 629/99 –

Karlsruhe, den 5. Juli 2000

 

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