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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat Dezember 2000 » Pressemitteilung Nr. 98/00 vom 22.12.2000

Siehe auch:  Urteil des 3. Strafsenats vom 22.12.2000 - 3 StR 378/00 -, Beschluss des 3. Strafsenats vom 19.10.2000 - 3 StR 378/00 -, Beschluss des 3. Strafsenats vom 22.12.2000 - 3 StR 378/00 -, Beschluss des 3. Strafsenats vom 19.10.2000 - 3 StR 378/00 -

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 98/2000

 

 

Verurteilungen im Fall Eggesin rechtskräftig

 

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 22. Dezember 2000 die Revisionen von drei Angeklagten im sog. Eggesin-Verfahren als unbegründet verworfen.

Die zur Tatzeit zwischen 16 und 20 Jahre alten Angeklagten gehörten der rechtsextremistisch orientierten Jugendszene von Eggesin an. In dieser wurde rechtsradikales Gedankengut gepflegt, das sich insbesondere in einem ausgeprägten Ausländerhaß und in der Propagierung einer weißen nordischen Rasse durch gewaltsames Fernhalten und der Vertreibung von als minderwertig betrachteten Ausländern äußerte. In der Nacht vom 21. auf den 22. August 1999 besuchten die Angeklagten mit weiteren Gesinnungsgenossen das Volksfest in Eggesin. Dort hielten sich auch zwei vietnamesische Staatsangehörige auf, an deren Anwesenheit sich die Angeklagten störten. Als die Vietnamesen den Festplatz verließen, wurden sie von den Angeklagten und vier weiteren Tatbeteiligten aus Ausländerhaß verfolgt, mit Steinen beworfen und schließlich zusammengeschlagen und am Boden liegend mehrere Minuten lang mit den Füßen getreten. Dabei grölten die Täter ausländerfeindliche Parolen. Die Vietnamesen erlitten durch die Tätlichkeiten schwerste Verletzungen, insbesondere im Bereich des Kopfes. Einer der beiden konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden und ist auf Dauer schwerst behindert.

Die strafrechtlichen Ermittlungen in dieser Sache wurden vom Generalbundesanwalt übernommen, weil die Tat bestimmt und geeignet gewesen sei, die innere Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen, und dem Fall besondere Bedeutung zukomme. Er hat gegen insgesamt fünf Tatbeteiligte beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Rostock Anklage erhoben. Dieser hat seine Zuständigkeit bejaht und die Angeklagten wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung an zwei Menschen zu Jugendstrafen zwischen vier und sechs Jahren verurteilt.

Drei der Angeklagten haben gegen ihre Verurteilung Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Der für Staatsschutzsachen zuständige 3. Strafsenat hat die Rechtsmittel nunmehr als unbegründet verworfen. Er hat dabei insbesondere bestätigt, daß der Generalbundesanwalt die Ermittlungen zu Recht an sich gezogen und damit die Zuständigkeit der Bundesjustiz begründet hat. Damit war auch das Oberlandesgericht Rostock, das im konkreten Fall Gerichtsbarkeit des Bundes ausübte, für die Aburteilung der Tat zuständig.

Der 3. Strafsenat hat den Fall zum Anlaß genommen, Grundsätze zur Abgrenzung der Strafverfolgungskompetenz von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Staatsschutzstrafrechts aufzustellen. Danach reicht es zur Begründung der Zuständigkeit des Bundes nicht aus, daß eine in § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG genannte Katalogtat rechtsextremistischer Gewalttäter das innere Gefüge des Gesamtstaates oder Verfassungsgrundsätze, wie etwa das Toleranzgebot, beeinträchtigt. Denn nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes obliegt die Strafverfolgung und die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt grundsätzlich den Bundesländern. Diese sind auch berufen, die rechtsstaatliche Wertordnung beeinträchtigende und staatsgefährdende Straftaten zu verfolgen. Der Bund ist ausnahmsweise nur dann zuständig, wenn eine Gesamtwürdigung der die Tat prägenden Umstände dem Fall besondere Bedeutung verleiht. Hierfür kann nicht nur seine konkrete Auswirkung auf die innere Sicherheit der Bundesrepublik, etwa seine Signalwirkung für potentielle Nachahmungstäter, von Bedeutung sein, sondern auch die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Bundesrepublik bei solchen Staaten, die ihr durch gemeinsame Wertvorstellungen verbunden sind.

Der 3. Strafsenat hat außerdem festgelegt, nach welchen Grundsätzen die Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt und die Zulassung der von diesem erhobenen Anklage vor dem Staatsschutzsenat eines Oberlandesgerichts auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Danach prüft der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren nicht nur auf Rüge, sondern von Amts wegen, ob das Oberlandesgericht bei Bejahung seiner Zuständigkeit im Eröffnungsbeschluß die zutreffenden rechtlichen Maßstäbe angelegt hat.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock ist damit gegen alle fünf Angeklagten rechtskräftig.

 

Urteil vom 22. Dezember 2000 – 3 StR 378/00 -

Karlsruhe, den 22. Dezember 2000

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831

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