Der Bundesgerichtshof

PRESSEMITTEILUNGEN
 
XML RSS

Dokumentsuche

Datum

Nummer

Suchbegriff

[Icon: Dreieck] Hilfe

 

Kalender

Mo Di Mi Do Fr Sa So
          1 2
3 4 5 6 7 8 9
10 11 12 13 14 15 16
17 18 19 20 21 22 23
24 25 26 27 28 29 30

Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat Januar 2000 » Pressemitteilung Nr. 2/00 vom 18.1.2000

Siehe auch:  Beschluss des Kartellsenats vom 18.1.2000 - KVR 23/98 -, Beschluss des Kartellsenats vom 19.6.2007 - KVR 23/98 -

vorheriges DokumentDokumentlistenächstes Dokument

Druckansicht

Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 2/2000

 

Verlangen nach Abgabe von Tariftreueerklärungen
bei Straßenbauaufträgen nicht rechtens

– BGH: Berliner Vergabegesetz nicht mit dem Grundgesetz vereinbar –

 

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer heute verkündeten Entscheidung die Praxis des Berliner Senats beanstandet, die Aufträge für Straßenbauarbeiten von einer sogenannten Tariftreueerklärung abhängig zu machen. Danach müssen sich die Unternehmen, die sich an einer Ausschreibung beteiligen, dazu verpflichten, ihre zur Erledigung des Auftrags eingesetzten Mitarbeiter nicht unter den jeweils geltenden Berliner Lohntarifen zu entlohnen. Der Berliner Senat wollte mit dieser Maßnahme die Vergabe von Aufträgen an Unternehmen verhindern, die tarifvertraglich nicht gebunden sind und ihre Beschäftigten daher unter den Berliner Tariflöhnen bezahlen. Für das Bauhauptgewerbe ergibt sich dieser Mindestlohn aus dem Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns, der für allgemeinverbindlich erklärt worden ist und der nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz auch für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland gilt. Der Mindestlohn betrug 1998 16 DM (West) bzw. 15,14 DM (Ost), während der tarifliche Ecklohn eines Facharbeiters 1998 bei 25,26 DM lag.

Das Bundeskartellamt hat dem Berliner Senat dieses Verhalten bei der Vergabe von Straßenbauarbeiten untersagt. Es hatte angenommen, das Land Berlin sei als Nachfrager von Straßenbauleistungen marktbeherrschend und behindere die tarifvertraglich nicht gebundenen Anbieter vor allem aus dem Berliner Umland in unbilliger Weise. Die Forderung nach Abgabe einer Tariftreueerklärung diene dazu, die Berliner Anbieter vor der Konkurrenz tarifvertraglich nicht gebundener Anbieter zu schützen. Die Beschwerde des Landes Berlin hatte das Kammergericht zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluß deutlich gemacht, daß die Untersagungsverfügung an sich zu Recht ergangen ist. Gleichwohl konnte die Rechtsbeschwerde des Landes nicht zurückgewiesen werden. In Berlin ist nämlich während des Rechtsbeschwerdeverfahrens ein Landesgesetz, das Berliner Vergabegesetz, verabschiedet worden und in Kraft getreten, dem zufolge die Berliner Vergabestellen Aufträge u.a. für Bauleistungen nur mit der Auflage vergeben sollen, daß die Unternehmen ihre Arbeitnehmer bei der Ausführung der Leistungen nach den jeweils in Berlin geltenden Entgelttarifen entlohnen. Wäre von der Gültigkeit dieses Gesetzes auszugehen, ergäbe sich aus dieser Vorschrift sogar eine Verpflichtung, den Bietern Tariftreueerklärungen abzuverlangen. In diesem Fall müßte die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts aufgehoben werden; denn ein Verhalten, das durch Gesetz vorgeschrieben ist, könnte nicht als unbillige Behinderung angesehen werden.

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshof hält das Berliner Vergabegesetz jedoch für verfassungswidrig. Zunächst fehle dem Landesgesetzgeber für das Tarifrecht eine gesetzgeberische Zuständigkeit; für das Arbeitsrecht gebe es eine konkurrierende Zuständigkeit des Bundes und der Länder. Da der Bund mit der Verabschiedung des Tarifvertragsgesetzes von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht habe, sei für ein Landesgesetz kein Raum. Aber auch wenn eine Zuständigkeit des Landes bestehe, verstoße das Berliner Vergabegesetz gegen Bundesrecht, und zwar zum einen gegen die Bestimmung des Tarifvertragsgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen und zum anderen gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Schließlich begegne die Regelung insoweit durchgreifenden Bedenken, als der Zugang zu dem Markt für Straßenbauarbeiten vom Land Berlin als marktbeherrschendem Nachfrager davon abhängig gemacht werde, daß sich der Bieter den Regelungen eines Tarifvertrags unterwirft; damit wird nach Ansicht des Kartellsenats in die im Grundgesetz geschützte negative Koalitionsfreiheit eingegriffen.

Die Ungültigkeit eines Gesetzes kann nur das Bundesverfassungsgericht feststellen. Der Bundesgerichtshof hat daher die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Beschluß vom 18. Januar 2000 – KVR 23/98

Karlsruhe, den 18. Januar 2000

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831

Druckansicht