Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 89/2000

 

Bundesgerichtshof entscheidet über Wirksamkeit von Klauseln einer Auslandsreise-Krankenversicherung

Der u.a. für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß zwei einer Auslandsreise-Krankenversicherung zugrunde liegende Klauseln unwirksam sind.

Das beklagte Versicherungsunternehmen verwendet beim Abschluß solcher Versicherungsverträge Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB), die folgende Klauseln enthalten:

"§ 1 ... (2) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse. Bei einem im Ausland unvorhergesehen eintretenden Versicherungsfall ersetzt er dort entstehende Aufwendungen für Heilbehandlung und erbringt sonst vereinbarte Leistungen. ...

(5) Als Ausland im Sinne von Absatz (2) gilt nicht das Staatsgebiet, dessen Staatsangehörigkeit die versicherte Person besitzt oder in dem sie einen ständigen Wohnsitz hat. Besitzt eine versicherte Person sowohl die deutsche Staatsangehörigkeit als auch die eines anderen Staates oder ist sie Staatsangehörige eines EG-Staates, besteht Versicherungsschutz auch in dem Staatsgebiet, dessen ausländische Staatsangehörigkeit die versicherte Person besitzt. ...

§ 5 ... (1) Keine Leistungspflicht besteht für ...

g) Untersuchung und Behandlung zur Schwangerschaftsüberwachung, ferner für Entbindung und Schwangerschaftsabbruch sowie deren Folgen. ..."

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, verlangte von der Beklagten, die Verwendung von Satz 1 der Klausel des § 1 Abs. 5 AVB und des § 5 Abs. 1g AVB zu unterlassen, weil diese nach § 9 AGBG unwirksam seien. Die Klage hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat beide Klauseln für unwirksam erachtet.

§ 1 Abs. 5 Satz 1 AVB ("Als Ausland gilt nicht ...") benachteiligt den Versicherungsnehmer wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unangemessen. Die Beklagte sagt mit ihrem Hauptleistungsversprechen grundsätzlich weltweiten Auslandsversicherungsschutz zu. § 1 Abs. 5 AVB schränkt dieses Versprechen ein. Der Umfang des Versicherungsschutzes, der sich für den Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung dieser Einschränkung ergibt, ist für diesen aber nicht durchschaubar. Denn mit § 1 Abs. 5 Satz 1 AVB hat die Beklagte ein Regelungsgefüge geschaffen, das dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer die Reichweite der Beschränkung wenn überhaupt, so erst nach Interpretation der gesamten Klausel unter Berücksichtigung von weiteren Gegenausnahmen erkennbar macht. Der Kern der Beschränkung des Versicherungsschutzes, nämlich der für Versicherungsnehmer mit ausländischer (nicht EG-)Staatsbürgerschaft bestimmte vollständige Ausschluß vom Versicherungsschutz bei Reisen in ihr Heimatland, wird dem Versicherungsnehmer nicht klar und deutlich vor Augen geführt.

Auch die Klausel des § 5 Abs. 1g AVB benachteiligt den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie schließt die Leistungspflicht der Beklagten generell aus, wenn eine medizinisch notwendige Heilbehandlung in Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, einer Entbindung oder einem Schwangerschaftsabbruch steht. Mit einem Ausschluß dieser Reichweite geht die Beklagte über ihre als berechtigt anzuerkennenden Interessen zum Nachteil des Versicherungsnehmers hinaus. Denn ihrem Interesse ist bereits dadurch Rechnung getragen, daß sie nur für im Ausland "unvorhergesehen" eintretende Versicherungsfälle Leistungen verspricht (§ 1 Abs. 2 AVB).

Urteil vom 22. November 2000 - IV ZR 235/99

Karlsruhe, den 22. November 2000

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