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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2000 » Pressemitteilung Nr. 27/00 vom 14.4.2000

Siehe auch:  Beschluss des 5. Strafsenats vom 5.4.2000 - 5 StR 226/99 -

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 27/2000

 

 

Bundesgerichtshof hebt Urteil gegen Mannheimer

Konzertveranstalter teilweise auf

 

Das Landgericht Mannheim hat den Angeklagten, einen bundesweit bekannten Konzertveranstalter, wegen Steuerhinterziehung in 58 Fällen sowie wegen versuchter Steuerhinterziehung und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen.

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte in den Jahren 1990 bis 1994 als Geschäftsführer mehrerer im Bereich der Veranstaltung klassischer Konzerte tätiger Gesellschaften erhebliche Betriebseinnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten und Programmheften privat vereinnahmt, ohne sie der Körperschaftsteuer, Einkommensteuer oder Umsatzsteuer zu unterwerfen. Dies führte zu einer Steuerverkürzung von mehr als 5,5 Millionen DM. Das Landgericht sah weiterhin als erwiesen an, daß der Angeklagte das Land Baden-Württemberg mit einer fingierten Abrechnung über die Zahl der verkauften Eintrittskarten eines im Schloßpark von Schwetzingen durchgeführten Konzerts getäuscht hat, wodurch das vertraglich an die Besucherzahl gekoppelte Entgelt für die Überlassung der Parkanlage zu niedrig bemessen wurde. Schließlich verurteilte das Landgericht den Angeklagten auch wegen der Nichtanmeldung von auf die Gagen ausländischer Solisten anfallenden Einkommen- und Umsatzsteuern sowie von Umsatzsteuern auf Kartenverkäufe von insgesamt mehr als 11,8 Millionen DM. Bei einem erheblichen Teil dieser Gagen handelt es sich um Leistungsentgelte an die Tenöre Luciano Pavarotti, José Carreras und Plácido Domingo im Rahmen der von dem Angeklagten in den Jahren 1995 und 1996 organisierten Welttournee der drei Tenöre. Das Landgericht sah als bewiesen an, daß der Angeklagte die Gagenzahlungen an die Tenöre gegenüber den Finanzbehörden dadurch verschleiert hat, daß er in den Zahlungsfluß eine Mehrzahl von ausländischen Firmen eingeschaltet hat, wobei die Gagenzahlungen überwiegend als steuerfreie Lizenzzahlungen für die Überlassung des Logos "The-3-Tenors" getarnt wurden.

Auf die Revision des Angeklagten hat der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Verurteilung teilweise aufgehoben.

In vier Fällen war bereits vor Anklageerhebung Verfolgungsverjährung eingetreten, da an sich rechtzeitig vorgenommene Unterbrechungshandlungen diese Taten nicht erfaßten. Der Senat hat das Verfahren insoweit eingestellt.

In weiteren vier Fällen sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe hat der Senat die Verurteilung des Angeklagten aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Insoweit wiesen zwar die Feststellungen des Landgerichts zur Tatbestandserfüllung keinen Rechtsfehler auf; die Ausführungen zur Wirksamkeit von Selbstanzeigen (=persönlicher Strafaufhebungsgrund) des Angeklagten waren jedoch lückenhaft und ließen eine revisionsgerichtliche Überprüfung nicht zu, ob bei Abgabe der Selbstanzeigen bereits eine Tatentdeckung im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO vorgelegen hat. Der Senat konnte nicht ausschließen, daß das Landgericht zu Unrecht bereits bei Vorliegen eines Anfangsverdachts eine Tatentdeckung angenommen hat.

Soweit der Angeklagte wegen unterlassenen Steuerabzugs von Umsatzsteuer im Sinne von § 18 Abs. 8 Nr. 1 UStG, §§ 51 ff. UStDV auf die an die Künstler gezahlten Gagen wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist, hat der Senat das Verfahren abgetrennt und dieses insoweit gemäß Art. 234 Abs. 3 EG dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Klärung der Frage im Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt, ob es gegen die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzssteuern verstößt, wenn Solisten, die kulturelle Dienstleistungen erbringen, nicht als (umsatzsteuerbefreite) kulturelle Einrichtungen behandelt werden. Das Landgericht hatte im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verneint, daß Solisten als natürliche Personen kulturelle Einrichtungen im Sinne von § 4 Nr. 20 lit. a UStG sein könnten, der deutschen nationalstaatlichen Umsetzung von Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. n der oben genannten Sechsten Richtlinie. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat jedoch im Jahr 1999 zu sozialen Einrichtungen in Abweichung zu seiner bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen, daß wegen des im Mehrwertsteuersystem maßgeblichen Grundsatzes der steuerlichen Neutralität insoweit auch natürliche Personen als Einrichtungen anzusehen sind. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs sieht es als naheliegend an, den Begriff der Einrichtung innerhalb der selben Vorschrift einheitlich auszulegen.

Im übrigen wurde die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Damit ist unter anderem – unbeschadet der Notwendigkeit, eine neue Gesamtstrafe zu bilden – die u.a. vom Landgericht verhängte höchste verwirkte Einsatzstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe rechtskräftig.

 

Beschluß vom 5. April 2000 - 5 StR 226/99

Karlsruhe, den 14. April 2000

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831

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