Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 146/2022

Verhandlungstermin am 18. November 2022 um 9.00 Uhr in Sachen V ZR 144/21 (Wiederkaufsrecht der Gemeinde

in städtebaulichem Vertrag)

Der unter anderem für Grundstückskaufverträge zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Frage der Wirksamkeit eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde in einem städtebaulichen Vertrag über den Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer.

Sachverhalt:

Der Beklagte kaufte von der klagenden bayerischen Gemeinde mit notariellem Vertrag vom 21. Januar 1994 ein Grundstück zu einem Preis von 59.472 DM. Dabei handelte es sich um einen marktgerechten Preis. Der Beklagte verpflichtete sich, auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren ab dem Tag des Kaufs ein bezugsfertiges Wohngebäude entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erstellen. Für den Fall, dass das Wohngebäude nicht fristgemäß errichtet oder das Vertragsgrundstück ohne Zustimmung der Gemeinde in unbebautem Zustand weiterveräußert wird, verpflichtete sich der Beklagte, das Grundstück auf Verlangen der Gemeinde kosten- und lastenfrei zurück zu übertragen gegen Erstattung des ursprünglichen Kaufpreises sowie entstandener Unkosten. Der Beklagte errichtete in der Folgezeit kein Wohngebäude. Mit Schreiben vom 14. November 2014 teilte die Klägerin mit, dass sie von ihrem Rückübertragungsrecht Gebrauch mache.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu bewilligen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der klagenden Gemeinde auf Rückübertragung des Grundstücks. Die Regelungen des Kaufvertrages über die Bebauungsverpflichtung des Beklagten und das Wiederkaufsrecht der Klägerin verstießen gegen das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Da die Parteien die Länge der Frist zur Ausübung des Wiederkaufsrechts nicht geregelt hätten, sei sie durch Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung ergebe, dass die gesetzliche Höchstfrist von 30 Jahren (§ 462 Satz 1 BGB) vereinbart worden sei. Damit sei das Gebot der Angemessenheit verletzt. Zwar habe der Bundesgerichtshof die Vereinbarung einer 30-jährigen Frist in einigen Fällen für unbedenklich gehalten. Allerdings habe es sich dabei jeweils um Fälle gehandelt, in denen die Käufer das Grundstück subventioniert erworben hätten. Dem Beklagten sei aber kein Preisnachlass gewährt worden. Zudem sei nach dieser Rechtsprechung selbst bei Veräußerung subventionierten Baulandes durch die Gemeinde eine Frist von 30 Jahren für die Ausübung des Wiederkaufsrechts nur dann angemessen, wenn dem Erwerber ein besonders hoher Preisnachlass gewährt worden sei oder sonst außergewöhnliche Umstände vorlägen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigten. Die durch die unwirksame Ausübungsfrist entstandene Lücke könne daher auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Selbst wenn ungeachtet des nicht gewährten Preisnachlasses eine moderate Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts zulässig sein sollte, wäre diese nämlich abgelaufen, weil die Klägerin das Recht erst über 20 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages ausgeübt habe.

Der Bundesgerichtshof wird daher die Frage zu beantworten haben, ob sich die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde für den Fall, dass der Käufer das Grundstück entgegen seinen vertraglichen Pflichten nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut oder ohne Zustimmung der Gemeinde unbebaut weiterveräußert, als unangemessen i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB darstellt, wenn die Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht 30 Jahre beträgt.

Vorinstanzen:

LG Landshut – Urteil vom 1. Juli 2020 – 91 O 2179/19

OLG München – Urteil vom 16. Juni 2021 – 20 U 4632/20
(veröff. u.a. in MittBayNot 2022, 278)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 11 BauGB - Städtebaulicher Vertrag

(1) 1Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen. […]

(2) 1Die vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein. […] 

§ 462 BGB – Ausschlussfrist

1Das Wiederkaufsrecht kann bei Grundstücken nur bis zum Ablauf von 30, bei anderen Gegenständen nur bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Vereinbarung des Vorbehalts ausgeübt werden. 2Ist für die Ausübung eine Frist bestimmt, so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen Frist.

Karlsruhe, den 18. Oktober 2022

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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