Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 89/2013

Anfechtung der Vaterschaft durch den sogenannten

biologischen Vater auch im Fall der Samenspende

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsfrage entschieden, ob auch ein Samenspender als sog. biologischer Vater die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes anfechten kann.

Der Kläger und die Mutter des Beklagten zu 2 leben jeweils in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Der 2008 geborene Beklagte zu 2 ist durch eine von seiner Mutter selbst vorgenommene Insemination mit Samenflüssigkeit des Klägers, die dieser ihr in einem Gefäß übergeben hatte, gezeugt worden. Ob der Kläger nach der Vorstellung der Beteiligten später die väterliche Verantwortung übernehmen sollte oder ob von vornherein eine Stiefkind-Adoption durch die Partnerin der Mutter beabsichtigt war, wird von den Parteien unterschiedlich dargestellt. Eine nach der Geburt abgegebene Anerkennung der Vaterschaft durch den Kläger ist wegen unterbliebener Zustimmung der Mutter nicht wirksam geworden. Stattdessen hat der Beklagte zu 1 – mit Zustimmung der Mutter – die Vaterschaft anerkannt. Zwischen dem Beklagten zu 1 und dem Kind (Beklagter zu 2) besteht unstreitig keine sozial-familiäre Beziehung.

Der Kläger hat als sogenannter biologischer Vater die Vaterschaft des Beklagten zu 1 angefochten. Das Amtsgericht – Familiengericht – hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Beide Beklagten haben gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Revision eingelegt.

Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB steht die Anfechtung der Vaterschaft auch dem Mann zu, der an Eides statt versichert, der Mutter in der Empfängniszeit "beigewohnt" zu haben. Der Begriff der Beiwohnung schließt eine Anfechtung der durch eine Samenspende entstandenen Vaterschaft nicht aus. Vielmehr gebieten Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung eine Anwendung der Vorschrift auch bei einer ohne Geschlechtsverkehr möglichen leiblichen Vaterschaft des Anfechtenden, wenn der Zeugung des Kindes keine Vereinbarung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB vorausgegangen ist. Die Anwendung der Vorschrift wird dadurch erforderlich, dass nur so der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Zugang des biologischen Vaters zur rechtlichen Vaterschaft ermöglicht wird. Ein in den Gesetzesberatungen verhandelter Ausschluss des Samenspenders von der Anfechtung betrifft nur Fälle der sogenannten konsentierten heterologen Insemination im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB, bei der aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung aller Beteiligten von vornherein klar ist, dass ein anderer Mann rechtlicher Vater werden soll. Damit ist ein Gleichlauf der Anfechtungsrechte des biologischen Vaters und der rechtlichen Eltern gewährleistet.

Der Wunsch der Mutter, dass auch ihre Lebenspartnerin die Elternstellung erlangen soll, ist nur durch eine Adoption zu erreichen. Dagegen stellt die Anerkennung durch einen anderen Mann, der die Elternstellung nicht anstrebt, einen Missbrauch des Elternrechts dar, welcher durch die gesetzlich vorgesehene Anfechtung des leiblichen Vaters verhindert werden soll.

Die maßgebliche Norm lautet:

§ 1600 BGB Anfechtungsberechtigte

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1. der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,

2. der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(5) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

Urteil vom 15. Mai 2013 - XII ZR 49/11

AG Köln – 315 F 226/09 – Urteil vom 11. August 2010

OLG Köln – 14 UF 160/10 – Urteil vom 17. Mai 2011

Karlsruhe, den 15. Mai 2013

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