Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 63/2013

Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung der Mitglieder des Grauzementkartells

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung der Mitglieder des Grauzementkartells durch das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt, die verhängten Bußgelder jedoch wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung um 5% reduziert.

Das Bundeskartellamt hatte 1987 ein vor allem in Süddeutschland tätiges Grauzementkartell aufgedeckt und die beteiligten Unternehmen mit erheblichen Geldbußen belegt. Zur Vermeidung des danach befürchteten Preisverfalls einigten sich am 13. März 1990 Vertreter führender Hersteller von Grauzement in Deutschland darauf, dass die Unternehmen ihre Marktanteile beibehalten und auf "vorstoßenden" Wettbewerb verzichten sollten. Dies wurde in der Folgezeit auf den Märkten in Nord-, Ost-, West- und Süddeutschland durch Absprachen bei jeweils unterschiedlicher Beteiligung der Unternehmen umgesetzt. Das Bundeskartellamt stellte diese neuerlichen Kartellrechtsverstöße im Jahr 2002 fest und erließ Bußgeldbescheide gegen die Unternehmen (Nebenbetroffene) sowie gegen die verantwortlichen Führungskräfte (Betroffene). Hiergegen legten ein Betroffener sowie die Unternehmen, gegen die erhebliche Bußgelder verhängt worden waren, Einspruch ein. Im gerichtlichen Verfahren hat das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 200.000 € sowie gegen die Unternehmen Geldbußen in Millionenhöhe verhängt, und zwar gegen Holcim in Höhe von 14,6 Mio. €, gegen HeidelbergCement in Höhe von knapp 170 Mio. €, gegen Lafarge Zement in Höhe von 24 Mio. € und gegen Schwenk Zement in Höhe von 70 Mio. €.

Der mit den Rechtsbeschwerden gegen diese Verurteilungen befasste Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr die Festsetzung der Geldbußen mit Beschluss vom 26. Februar 2013 weitgehend bestätigt und die vorgebrachten Beanstandungen für nicht durchgreifend erachtet:

Das Oberlandesgericht hat zutreffend für jede Ordnungswidrigkeit zunächst die absprachebedingt entstandenen - für den Bußgeldrahmen nach § 81 Abs. 2 GWB 1999* maßgeblichen - Mehrerlöse bestimmt. In einem zweiten Schritt hat es - ebenfalls ohne Rechtsverstoß - durch einen Vergleich mit dem Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005** nach § 4 Abs. 3 OWiG*** den für die Unternehmen günstigeren Bußgeldrahmen ermittelt. Die Vorschrift des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005, die mit der 7. GWB-Novelle eingeführt worden ist, ist nicht wegen Verfassungswidrigkeit nichtig. Sie verstößt weder wegen der nach ihrem Wortlaut rückwirkenden Inkraftsetzung noch wegen mangelnder Bestimmtheit gegen das Grundgesetz. Diese Regelung, nach der die Geldbuße 10% des Gesamtumsatzes eines Unternehmens nicht übersteigen darf, ist in verfassungskonformer Auslegung nicht als Kappungsgrenze (eines nach oben offenen Bußgeldrahmens), sondern als Obergrenze des Bußgeldrahmens zu verstehen, bei dessen Bestimmung der Umsatz nicht nur des jeweiligen Unternehmens, sondern des Gesamtkonzerns zugrunde zu legen ist. Da die durch die 7. GWB-Novelle geschaffene Vorschrift nicht verfassungswidrig ist, ist kein sanktionsloser Zustand eingetreten. Die vom Oberlandesgericht in den einzelnen Fällen verhängten Geldbußen halten rechtlicher Überprüfung stand; insbesondere die von den Rechtsbeschwerdeführern angegriffenen Mehrerlösschätzungen des Oberlandesgerichts sind rechtsfehlerfrei.

Der Kartellsenat hat allerdings die verhängten Geldbußen in Höhe von jeweils 5% für vollstreckt erklärt. Nachdem gegen das Urteil des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2009 Rechtsbeschwerden eingelegt und begründet worden waren, vergingen etwa zwanzig Monate, bis die Akten dem Generalbundesanwalt vorgelegt worden sind. Hierin hat der Kartellsenat eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gesehen. Da für Unternehmen die Belastung durch eine längere Verfahrensdauer in dem Rückstellungsbedarf für die verhängten Geldbußen liegt und deren Höhe maßgeblich von ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft beeinflusst ist, erschien hier als Kompensation eine entsprechende prozentuale Anrechnung sachgerecht.

Fassung der am 2. Mai 2013 berichtigten Pressemitteilung

Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12

OLG Düsseldorf - Urteil vom 26. Juni 2009 - VI-2a Kart 2-6/08 (V)

Karlsruhe, den 10. April 2013

* § 81 GWB 1999 Bußgeldvorschriften [Auszug]

[…]

(2)  1Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 5, 6 Buchstabe a und Nr. 9 mit einer Geldbuße bis zu einer Million Deutsche Mark, über diesen Betrag hinaus bis zur dreifachen Höhe des durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Deutsche Mark geahndet werden.2Die Höhe des Mehrerlöses kann geschätzt werden.

[…]

** § 81 GWB 2005 Bußgeldvorschriften [Auszug]

[…]

(4)  1Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1, des Absatzes 2 Nr. 1, 2 Buchstabe a und Nr. 5 und des Absatzes 3 mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden.2Wird in diesen Fällen eine Geldbuße gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung verhängt, so darf die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung über Satz 1 hinaus 10 vom Hundert seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.3In den übrigen Fällen kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden.4Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.

[…]

*** § 4 OWIG Zeitliche Geltung

(1) Die Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung gilt.

(2) Wird die Bußgelddrohung während der Begehung der Handlung geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Handlung gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) 1Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. 2Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

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