Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 113/2022

Verhandlungstermin am 6. Dezember 2022 um 12.00 Uhr in Sachen

II ZR 144/21 (Sonderbeiträge eines ehrenamtlichen

Bürgermeisters an die Partei)

Der für das Gesellschaftsrecht einschließlich des Vereinsrechts zuständige II. Zivilsenat hat darüber zu entscheiden, ob eine politische Partei einen parteiangehörigen ehrenamtlichen Bürgermeister auf Grundlage ihrer Satzung auf Leistung eines Sonderbeitrags (sog. Amts- bzw. Mandatsträgerbeitrag) in Anspruch nehmen kann.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein rechtlich selbständiger Kreisverband der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU). Der Beklagte war von 1972 bis zu seinem Parteiaustritt im November 2019 Mitglied des Klägers. Im Jahr 2015 wurde er zum ehrenamtlichen Bürgermeister einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt gewählt. Zur Bürgermeisterwahl war er nicht als Kandidat des Klägers angetreten, sondern als Einzelkandidat ohne finanzielle oder personelle Unterstützung durch den Kläger. Für seine ehrenamtliche Tätigkeit erhielt er eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 765 €.

Der Kläger nimmt den Beklagten aufgrund von § 6 Abs. 4 der Finanz- und Beitragsordnung der Landessatzung der CDU Sachsen-Anhalt auf Zahlung von Sonderbeiträgen in Höhe von insgesamt 740,46 € für die Zeit von Januar 2018 bis November 2019 in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte im Wesentlichen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe gegen den Beklagten aufgrund von § 6 Abs. 4 der Finanz- und Beitragsordnung ein vor den ordentlichen Gerichten einklagbarer Anspruch auf Zahlung eines Teils seiner Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag zu. Die Satzungsregelung sei mit dem in § 35 Abs. 3 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt enthaltenen Übertragungs- und Verzichtsverbot für Entschädigungsansprüche vereinbar und die darin bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Beklagten seien im maßgeblichen Zeitraum erfüllt. Auch der Umstand, dass der Beklagte sein Amt ohne Unterstützung des Klägers erlangt habe, stehe seiner Verpflichtung zur Leistung des Sonderbeitrags nicht entgegen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Der Beklagte ist der Ansicht, die in der Satzung geregelten Amts- und Mandatsträgerbeiträge seien freiwillige, nicht einklagbare Leistungen. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Satzungsregelung gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze des freien Mandats und der angemessenen Entschädigung der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 48 Abs. 3 GG) sowie gegen das Verbot mittelbarer staatlicher Parteienfinanzierung (Art. 21 Abs. 1 GG), die auch für Sonderbeiträge kommunaler Mandatsträger von Bedeutung seien. Jedenfalls liege ein Verstoß gegen das kommunalverfassungsrechtliche Übertragungs- und Verzichtsverbot vor und stehe dem Anspruch des Klägers entgegen, dass er sein Amt im Jahr 2015 ohne Unterstützung des Klägers erlangt habe.

Vorinstanzen:

AG Naumburg - Urteil vom 11. Januar 2021 - 12 C 261/20

LG Halle - Urteil vom 6. August 2021 - 1 S 16/21

Die maßgeblichen Regelungen bzw. Vorschriften lauten:

§ 6 Anlage B Finanz- und Beitragsordnung der Landessatzung der CDU-Sachsen-Anhalt

in der bis zum 31. Mai 2019 geltenden Fassung:

§ 6 weitere Beiträge (Sonderbeiträge)

[…]

(4) Kommunale Amtsträger entrichten monatlich neben ihrem satzungsmäßigen persönlichen Mitgliedbeitrag mindestens 3 % ihres Grundgehaltes sowie 15 % ihrer Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag an ihren Kreisverband; kommunale Mandatsträger entrichten in gleicher Weise 15 % ihrer Aufwandsentschädigung an ihren Kreisverband.

[…]

(7) Persönlichkeiten, die auf Vorschlag der CDU in eine politische Aufgabe gewählt bzw. berufen werden, für die eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird, entrichten für die Zeitdauer dieser Aufgabe einen Sonderbeitrag, dessen Höhe der Landesvorstand der CDU im Einzelfall festlegt, soweit dies nicht bereits in den Absätzen 2 bis 4 geschehen ist.

in der ab dem ab dem 1. Juni 2019 geltenden Fassung:

§ 6 Sonderbeiträge

[…]

(4) […]

Ehrenamtliche Bürgermeister entrichten monatlich, neben ihrem satzungsmäßigen persönlichen Mitgliedbeitrag, 7,5% ihrer pauschalen Aufwandsentschädigung, gemäß Aufwandsentschädigungssatzung der zuständigen Gemeinde, als Sonderbeitrag an ihren Kreisverband.

[…]

(7) Von Persönlichkeiten, die auf Vorschlag der CDU ein Mandat oder Amt erhalten haben, werden Sonderbeiträge entsprechend den Regelungen in Absatz 2 bis 4 durch persönliche Vereinbarung erhoben. Abweichende Regelungen bedürfen eines Beschlusses des Kreis- oder Landesverbandes.

Artikel 21 GG

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

[…]

Artikel 38 GG

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

[…]

Artikel 48 GG

[…]

(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

§ 35 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt

(1) Wer ein Ehrenamt oder eine sonstige ehrenamtliche Tätigkeit ausübt, hat Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen und seines Verdienstausfalls. Bei Personen, die keinen Verdienst haben oder die Höhe des Verdienstausfalls nicht nachweisen können, wird als Ersatz für die aufgewendete Zeit eine angemessene Pauschale gewährt. Einzelheiten sind durch Satzung zu regeln.

[…]

(3) Die Ansprüche auf Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sind nicht übertragbar; auf sie kann nicht verzichtet werden.

[…]

Karlsruhe, den 19. Juli 2022

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