Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 39/2022

Verhandlungstermin am 5. Juli 2022, 10.00 Uhr, Saal E 101 in Sachen KZR 42/20

(Schaden für Schlecker durch Drogeriekartell?)

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs wird u.a. über die Frage verhandeln, ob ohne gerichtliches Sachverständigengutachten davon ausgegangen werden kann, dass der Anton Schlecker e.K. i.L. durch das Drogeriekartell kein Schaden entstanden ist.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Anton Schlecker e.K. i.L. (im Folgenden: Schlecker). Er verlangt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von mindestens 212,2 Mio. €. Schlecker war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2012 eines der bundesweit größten Einzelhandelsunternehmen für Drogeriemarkenartikel.

Die Beklagten sind Hersteller von Drogeriemarkenartikeln. Im hier maßgeblichen Zeitraum erfolgten die Preisverhandlungen für diese Produkte in Jahresgesprächen zwischen dem Einzelhändler und dem jeweiligen Hersteller, die sich über mehrere Monate hinzogen und im Abschluss einer Jahresvereinbarung mündeten. Die Hersteller übermittelten dem Einzelhandel üblicherweise einige Monate vor, spätestens zu Beginn der Jahresgespräche neue, von ihnen einseitig festgelegte Bruttopreise in sortimentsübergreifenden Listen. Hiervon ausgehend wurde über Rabatte, Skonti, Rückvergütungen, Werbeaktionen, Werbekostenzuschüsse und sonstige Vergütungen verhandelt.

Das Bundeskartellamt verhängte u.a. gegen die Beklagten Bußgelder wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot gemäß § 1 GWB und Art. 81 EGV (nunmehr Art. 101 AEUV). Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts waren die Hersteller in den Jahren 2004 bis 2006 in unterschiedlichem zeitlichen und sachlichen Umfang an einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch beteiligt. Im Kern betraf der Vorwurf u.a. den regelmäßigen Austausch von Informationen über beabsichtigte und durchgesetzte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen (an dem nicht alle Beklagten beteiligt waren) sowie über den aktuellen Stand der Jahresverhandlungen mit ausgewählten großen Einzelhändlern und das Bestehen und die Höhe diesen gegenüber erhobener Sonderforderungen.

Der Kläger behauptet, Schlecker habe aufgrund des Drogeriekartells überhöhte Preise für Drogeriemarkenartikel bezahlen müssen. Schlecker sei dadurch ein Schaden in Höhe von mindestens 212,2 Mio. € entstanden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, nach den bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts stehe zwar fest, dass die Beklagten gegen das Kartellverbot verstoßen hätten. Es lasse sich jedoch nicht feststellen, dass Schlecker infolge des kartellrechtswidrigen Verhaltens mit der nach § 287 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden sei. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten hat das Berufungsgericht nicht eingeholt.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die geltend gemachten Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 10. August 2018 - 2-03 O 239/16

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12. Mai 2020 - 11 U 98/18 (Kart)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 GWB Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

Artikel 81 EGV (= Art. 101 AEUV)

(1) Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere

a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;

b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;

c) die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;

d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;

e) die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen. (…)

§ 287 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO)

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. (…)

Karlsruhe, den 25. März 2022

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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