BundesgerichtshofMitteilung der PressestelleNr. 134/2004 Unfallersatztarife auf dem Prüfstand
Nach Verkehrsunfällen gehören Mietwagenkosten regelmäßig zu den Kosten der Schadensbehebung, weil der Geschädigte vorübergehend einen Mietwagen fahren muß. Die dadurch entstehenden Kosten werden grundsätzlich ersetzt, soweit ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten die durch die Anmietung entstehenden Aufwendungen für zweckmäßig und notwendig halten darf. In der Praxis hat sich in den letzten Jahren ein besonderer Tarif für Ersatzmietwagen nach Unfällen entwickelt, der gegenüber einem ansonsten angebotenen „Normaltarif“ teurer ist. Dem VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs liegen dazu mehrere Revisionen vor, in denen die Erstattungsfähigkeit dieses teureren „Unfallersatztarifs“ in Frage gestellt wird. In den ersten beiden dazu ergangenen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, wonach der Geschädigte nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstößt, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem „Unfallersatztarif“ anmietet, der gegenüber einem „Normaltarif“ teurer ist, solange dies dem Geschädigten nicht ohne weiteres erkennbar ist. Er hat jedoch klargestellt, daß dieser Grundsatz keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen kann, wenn sich ein besonderer Tarif für Ersatzmietwagen nach Unfällen entwickelt hat, der nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Regelmäßig haben die Kraftfahrzeugmieter kein eigenes Interesse an der Wahl eines bestimmten Tarifs, während die am Mietvertrag nicht beteiligten Dritten wie Schädiger oder Haftpflichtversicherer zwar die Verpflichtungen aus diesem Vertrag wirtschaftlich zu tragen haben, auf die Tarifwahl aber keinen Einfluß nehmen können. Das kann zur Folge haben, daß die Preise der dem Unfallgeschädigten angebotenen „Unfallersatztarife“ erheblich über den für Selbstzahler angebotenen „Normaltarifen“ liegen. Bei dieser Sachlage kann aus schadensrechtlicher Sicht der zur Herstellung „erforderliche“ Geldbetrag nicht ohne weiteres mit dem „Unfallersatztarif“ gleichgesetzt werden. Ein solcher Tarif muß daher vom Schädiger bzw. seinem Haftpflichtversicherer nur erstattet werden, soweit der Tarif nach seiner Struktur als „erforderlicher“ Aufwand zur Schadensbeseitigung angesehen werden kann. Dies kann nur insoweit der Fall sein, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.ä.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlaßt und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Soweit das nicht der Fall ist, kommt es für den Ersatzanspruch des Geschädigten darauf an, ob ihm ein günstigerer „Normaltarif“ zugänglich war. Der Bundesgerichtshof hat in den ersten beiden Fällen jeweils die Berufungsurteile aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit der Tatrichter prüfen kann, ob bzw. in welcher Höhe der geltend gemachte „Unfallersatztarif“ gerechtfertigt ist, der in einem Fall um 89 % über dem „Normaltarif“ lag. Urteile vom 12. Oktober 2004 – VI ZR 151/03 und vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 Karlsruhe, den 11. November 2004
Pressestelle des Bundesgerichtshof |
|