Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 143/2018

Verhandlungstermin am 5. September 2018, 10.00 Uhr –

VIII ZR 66/17 (Anspruch des Käufers eines Neufahrzeugs

auf (Ersatz-)Lieferung einer mangelfreien Sache,

§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB)

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte von der Beklagten zum Preis von 38.265 € einen von dieser hergestellten Neuwagen BMW X3 xDrive20, welcher im September 2012 an ihn geliefert wurde. Das dem damaligen Serienstandard entsprechende Fahrzeug ist mit einem Schaltgetriebe sowie einer Software ausgestattet, die bei drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung ausgibt. Ab Januar 2013 erschien im Textdisplay des Autoradios mehrfach eine Warnmeldung, welche die Aufforderung enthielt, das Fahrzeug vorsichtig anzuhalten, um die Kupplung (bis zu 45 Minuten) abkühlen zu lassen.

Nachdem diese Warnmeldung auch nach mehreren Werkstattaufenthalten des Fahrzeugs in einer Niederlassung der Beklagten wiederholt aufgetreten war, verlangte der Kläger schließlich im Juli 2013 von der Beklagten Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeuges.

Die Beklagte hat einen Mangel in Abrede gestellt; sie habe dem Kläger mehrfach mitgeteilt, dass die Kupplung technisch einwandfrei sei und auch im Fahrbetrieb abkühlen könne; es sei deshalb nicht notwendig, das Fahrzeug anzuhalten, wenn die Warnmeldung der Kupplungsüberhitzungsanzeige erscheine.

Während des anschließend geführten Rechtsstreits gab der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug im Oktober 2014 im Rahmen eines Kundendienstes in eine Werkstatt der Beklagten. Die Beklagte behauptet, dabei sei ein seit Juli 2013 zur Verfügung stehendes Software-Update aufgespielt worden, welches den Text der Warnmeldung dahingehend korrigiere, dass nunmehr auch auf die Möglichkeit hingewiesen werde, die Kupplung während der Fahrt abkühlen zu lassen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Berufungsgericht hat der auf Ersatzlieferung eines entsprechenden Neufahrzeugs (Zug um Zug gegen Rückübereignung des gelieferten Fahrzeugs) gerichteten Klage stattgegeben. Die ursprüngliche Fassung der Warnmeldung, in welcher der Fahrer nicht auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Kupplung während der Fahrt abkühlen zu lassen, stelle einen Sachmangel (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) des streitgegenständlichen Fahrzeugs dar. Denn der durchschnittliche Fahrzeugkäufer werde bei Auftreten der Warnmeldung schon mit Blick auf den Erhalt seiner Gewährleistungs- und Garantieansprüche die Fahrt für längere Zeit unterbrechen, selbst wenn dieses zum Schutz der Kupplung tatsächlich nicht erforderlich sein sollte.

Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) könne auch nicht entgegengehalten werden, dass - wie zumindest von der Beklagten behauptet - der Mangel im Laufe des Rechtsstreits durch einen geänderten Text des Warnhinweises durch ein Software-Update behoben worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger damit einverstanden gewesen sei. Dem Verkäufer stehe es nicht frei, das dem Käufer gemäß § 439 Abs. 1 BGB gewährte Wahlrecht zwischen Beseitigung des Mangels und Lieferung einer mangelfreien Sache zu unterlaufen, indem die Nacherfüllung in einer vom Käufer nicht gewählten Art und Weise (hier Beseitigung des Mangels anstelle der beanspruchten Lieferung einer mangelfreien Sache) erbracht werde.

Schließlich könne sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die vom Kläger beanspruchte Lieferung einer mangelfreien Sache nur mit unverhältnismäßigen Kosten (§ 439 Abs. 3 BGB alter Fassung; jetzt § 439 Abs. 4 BGB) möglich sei. Zwar seien die Kosten einer Neulieferung hier um ein Vielfaches höher als eine Nachbesserung. Dem stehe jedoch die Bedeutung des Mangels entgegen, der die Verwendungsmöglichkeiten des Fahrzeugs spürbar einschränke. Zudem könne auf eine Nachbesserung nicht ohne erhebliche Nachteile für den Kläger zurückgegriffen werden, denn der gerichtliche Sachverständige habe den - angeblich - korrigierten Warnhinweis bei seiner Prüfungsfahrt nicht auslösen können. Es stehe somit nicht fest, ob die Warnfunktion bei Überhitzen der Kupplung durch das Software-Update vom Oktober 2014 tatsächlich mit einem korrigierten Warnhinweis verknüpft worden sei oder ob nicht stattdessen die Kupplungsüberhitzungsanzeige komplett abgeschaltet worden sei.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

[…]

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

§ 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen,

[…]

§ 439 BGB Nacherfüllung (in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung)

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

[…]

(3) 1Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung […] verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. 2Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. 3Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.

(4) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.

Vorinstanzen:

Landgericht Nürnberg-Fürth - Urteil vom 30. Dezember 2015 - 9 O 8893/13

Oberlandesgericht Nürnberg - Urteil vom 20. Februar 2017 - 14 U 199/16 (veröffentlicht unter anderem in DAR 2017, 406)

Karlsruhe, den 28. August 2018

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