BundesgerichtshofMitteilung der PressestelleNr. 116/2018 Verhandlungstermin am 5. Dezember 2018, 10.00 Uhr - VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18 (Mietminderung wegen "Schimmelpilzgefahr")
Die Kläger in beiden Verfahren sind jeweils Mieter von preisgebundenen Wohnungen der Beklagten in Glinde, die in den Jahren 1968 und 1971 erbaut wurden und Wohnflächen von rund 61 qm beziehungsweise rund 73 qm aufweisen. Die Mieten belaufen sich auf monatlich 489,41 € beziehungsweise 620 €, jeweils einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen. Die Kläger machen unter Berufung auf Mängel der Wohnung Gewährleistungsansprüche geltend. Sie begehren - unter anderem - wegen der "Gefahr von Schimmelbildung" in den gemieteten Räumen die Feststellung einer jeweils näher bezifferten Minderung der von ihnen geschuldeten Monatsmiete (§ 536 BGB) sowie die Zahlung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung. In beiden Verfahren hat das Landgericht eine Minderung der jeweiligen Bruttomiete festgestellt und dies jeweils (unter anderem) maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass aufgrund geometrischer Wärmebrücken insbesondere an den Außenwänden in den streitgegenständlichen Wohnungen in den Monaten Oktober bis März eines jeden Jahres eine "Gefahr der Schimmelpilzbildung" bestehe. Zwar hätten die betreffenden Wohnungen zur Zeit ihrer Errichtung den geltenden Bauvorschriften sowie DIN-Vorgaben und den damaligen Regeln der Baukunst entsprochen. Nach der Verkehrsanschauung dürfe ein Mieter allerdings ohne besondere Absprache stets einen "Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens" erwarten, der heutigen Maßstäben gerecht werde. Auf Grundlage der derzeit gültigen DIN-Vorschriften ergebe sich angesichts der geometrischen Wärmebrücken in beiden Wohnungen jedoch ein konkretes Risiko der Schimmelpilzbildung, welche die Mieter allein mit "alltagsüblichem Lüftungs- und Heizverhalten" nicht verhindern könnten. Von einem Mieter könne nicht verlangt werden, dass er ein Schlafzimmer auf mehr als 16 Grad und die übrigen Zimmer auf mehr als 20 Grad beheize oder darauf verzichte, seine Möbel ohne Abstand an den Außenwänden aufzustellen. Auch ein sogenanntes Querlüften ("Durchzug") könne dem Mieter nicht abverlangt werden, vielmehr sei lediglich ein zweimaliges Stoßlüften von bis zu zehn Minuten pro Tag zumutbar. Bei alledem komme es auch nicht darauf an, wieviel Feuchtigkeit durch das konkrete Nutzungsverhalten der jeweiligen Mieter entstehe, solange es sich im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs (Aufenthalt, Waschen, Kochen, Duschen etc.) bewege. Sei unter den genannten Bedingungen nicht sichergestellt, dass es zu keiner Schimmelpilzbildung komme, liege bereits hierin ein bauseits bedingter und vom Vermieter zu vertretener Mangel, so dass es nicht darauf ankomme, ob Schimmel auch tatsächlich aufgetreten sei. Für die Annahme eines Mangels sei es bereits ausreichend, dass der Mietgegenstand aufgrund einer bestimmten Beschaffenheit jederzeit beeinträchtigt werden könne (sogenannte "Mangelgefahr"). In dem Verfahren VIII ZR 271/17 hat das Landgericht zudem die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung der Mängel und Anbringung einer Innendämmung in Höhe von 12.000 € bestätigt. Mit ihren vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Beklagte in beiden Verfahren ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie macht geltend, dass die bloße Gefahr einer Schimmelpilzbildung schon grundsätzlich keinen Sachmangel der Wohnungen darstelle, wenn sie durch den bei ihrer Errichtung maßgeblichen technischen Standard bedingt sei. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen handele es sich bei den betreffenden Wärmebrücken auch keineswegs um eine Besonderheit der streitgegenständlichen Wohnungen, sondern um ein Phänomen, welches sämtliche Wohnungen in Deutschland aus der Bauzeit von 1947 bis 1978 betreffe, sofern sie nicht nachträglich wärmegedämmt worden seien. Dass die Wohnungen vorliegend insofern einen alters- und bauzeitgemäßen Zustand aufwiesen und deshalb nicht denselben Wohnkomfort böten wie eine moderne Neubauwohnung, schlage sich nicht zuletzt auch in den günstigen Mieten nieder. Überdies sei das dem Mieter zumutbare und erforderliche Lüftungsverhalten nicht anhand starrer Grenzen zu bestimmen, sondern habe sich an dem eigenen Nutzungsverhalten sowie dem bauzeitlichen Zustand der Wohnung auszurichten. Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 536 BGB Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln (1) 1Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. 2Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. 3Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht. […] Vorinstanzen: VIII ZR 271/17 Amtsgericht Reinbek – Urteil vom 7. April 2017 - 13 C 682/14 Landgericht Lübeck – Urteil vom 17. November 2017 - 14 S 107/17 und VIII ZR 67/18 Amtsgericht Reinbek – Urteil vom 23. Dezember 2016 – 17 C 288/15 Landgericht Lübeck – Urteil vom 15. Februar 2018 – 14 S 14/17 Karlsruhe, den 12. Juli 2018
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