Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 47/2017

Verhandlungstermin am 10. Mai 2017, 11.00 Uhr - VIII ZR 292/15 (Kündigung einer Mietwohnung zwecks Durchführung eines sozialen Wohngruppenprojekts, § 573 Abs. 1

und Abs. 2 Nr. 3 BGB)

Die Beklagten sind seit dem Jahr 1996 Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung in Rostock, die sie vom Rechtsvorgänger des Klägers angemietet haben. Das Hausgrundstück, das im Jahr 2014 vom Kläger - einem eingetragenen Verein - erworben wurde, ist außerdem mit einer Scheune und einem Nebengebäude bebaut. Nach der Darstellung des Klägers sind sämtliche Gebäude sanierungsbedürftig.

Der Kläger ist zugleich an einer Gesellschaft beteiligt, die Trägerin vielfältiger Einrichtungen mit umfassender medizinischer, sozialer, pädagogischer und rehabilitativer Betreuung ist. Diese beabsichtigt, die Gebäude unter Nutzung von Fördermitteln und ohne finanzielle Belastung für den Kläger im Rahmen eines "Arbeits- und Lebensprojekts" zu sanieren und umzubauen. Dabei sollen im bisherigen Mehrfamilienhaus und in der Scheune psychosoziale Wohngruppen mit insgesamt 23 Wohnplätzen und im Nebengebäude eine Tischlerei und Grünholzwerkstatt untergebracht werden. Der Kläger möchte das Grundstück zur Verwirklichung dieses Projekts an die Gesellschaft vermieten.

Mit Schreiben vom 1. August 2013 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit den Beklagten nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB* und begründete dies damit, dass andernfalls das geplante Arbeits- und Lebensprojekt nicht realisiert werden könne. Denn die Zahlung eines Investitionszuschusses von 2,1 Mio. € sei unabdingbar mit der Schaffung der Wohnplätze auch im Wohngebäude verbunden. Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten geltend, ein Kündigungsgrund liege nicht vor.

Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil allerdings abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nicht ansatzweise dargelegt, welche eigenen Nachteile im drohten, wenn das Projekt unter Aussparung der Wohnung der Beklagten umgesetzt würde. Zwar habe die Schaffung von möglichst vielen Wohngruppenplätzen - wegen der Abhängigkeit der Fördermittel von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze - Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts. Auf ein derartiges, allein die Gesellschaft als Trägerin des Projekts betreffendes Drittinteresse könne sich der Kläger (der Verein) jedoch ebenso wenig berufen wie darauf, mit der Kündigung mittelbar ein wichtiges öffentliches Interesse bedienen zu wollen.

Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war mit der Umsetzung des Projekts - unabhängig von den drei für die streitgegenständliche Wohnung geplanten Wohngruppenplätzen - bereits begonnen worden. Es wurden nicht nur das Nebengebäude, sondern auch einzelne Räume des Wohnhauses nach ihrer Sanierung schon zweckentsprechend genutzt.

* § 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. 2Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

[…]

3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

[…]

Vorinstanzen:

Amtsgericht Rostock - Urteil vom 13. März 2015 - 47 C 438/14

Landgericht Rostock - Urteil vom 13. November 2015 - 1 S 64/15

Karlsruhe, den 4. April 2017

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