Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 154/2012

Bundesgerichtshof: Post muss Publikation der

NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag

als Postwurfsendung verteilen

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Deutsche Post AG verurteilt, die Publikation "Klartext" der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag als Postwurfsendung zu verteilen.

Die NPD-Fraktion gibt eine Druckschrift mit dem Titel "Klartext" heraus, in der über ihre Fraktionsarbeit und über aktuelle politische Themen berichtet wird. Die Publikation soll in einer Auflage von 200.000 Stück in Leipzig an alle Haushalte mit Tagespost verteilt werden. Die NPD-Fraktion hält die Deutsche Post für verpflichtet, mit ihr einen entsprechenden Rahmenvertrag über die Beförderung und Verteilung der Publikation als Postwurfsendung abzuschließen. Die Deutsche Post meint, es bestehe kein Beförderungszwang, weil die zu verteilende Publikation nicht konkret adressiert werde. Es handele sich bei dem Druckwerk lediglich um eine Postwurfsendung, deren Verteilung keiner Regulierung unterliege.

Die NPD-Fraktion hat die Deutsche Post vor dem Landgericht Leipzig verklagt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das OLG Dresden hat die Berufung der NPD-Fraktion zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Beklagte zum Abschluss eines Rahmenvertrags über die Beförderung der Druckschrift verurteilt. Die Beklagte ist zur Beförderung nach § 2 Postdienstleistungsverordnung (PDLV)* verpflichtet. Um die flächendeckende Grundversorgung mit Postdienstleistungen sicherzustellen, sieht die gesetzliche Regelung vor, dass die Lizenzträger, zu denen die Deutsche Post zählt, verpflichtet sind, bestimmte Postdienstleistungen, sogenannte Universaldienstleistungen, zu erbringen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die hier nachgefragte Leistung eine solche Universaldienstleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV)** darstellt. Bei der Publikation handelt es sich um eine periodisch erscheinende Druckschrift, die zu dem Zweck herausgegeben wird, die Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit­ oder Fachfragen durch presseübliche Berichterstattung zu unterrichten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts darf der Umstand, dass die Publikation der Werbung für die Politik und Arbeit der Klägerin dient, auf die Entscheidung keinen Einfluss haben. Die Einordnung als Universaldienst verfolgt mit dem dadurch bestimmten Beförderungszwang das Ziel, zur Förderung der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit Erzeugnisse der Presse dem Empfänger so günstig wie möglich zuzuführen. Die Pressefreiheit begründet für den Staat jedoch eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet. Den Einwand der Deutschen Post, dass es sich bei der in Rede stehenden Publikation nicht um eine periodisch erscheinende Druckschrift handelt, hat der BGH nicht gelten lassen. Ausreichend hierfür ist, dass die Druckschrift nach ihrer Aufmachung - anders als ein Flugblatt - auf das für eine Zeitung oder Zeitschrift übliche periodische Erscheinen angelegt ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie trotz dieser Aufmachung nur gelegentlich publiziert werden soll. Das ist hier der Fall. Dass es in der Vergangenheit aufgrund der Weigerung der Deutschen Post bei der Verteilung zu Schwierigkeiten gekommen ist, kann der klagenden Fraktion nicht entgegengehalten werden.

Auch der Umstand, dass die fraglichen Druckschriften nicht adressiert sind, steht der Einordnung als Universaldienstleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 PUDLV, § 4 Nr. 1 Buchst. c PostG*** nicht entgegen. Soweit der Empfängerkreis hinreichend bestimmt ist, unterliegt die Beförderung von nicht adressierten Sendungen keinen für die Beklagte unzumutbaren Schwierigkeiten und trägt dem Bedürfnis Rechnung, auch die Beförderung von Massendrucksachen zu ermöglichen, die sich an eine Vielzahl von Empfängern richten. Ausgeschlossen wäre die Beförderung allerdings dann, wenn besondere Ausschlussgründe vorliegen, etwa weil der Inhalt der Publikation gegen strafrechtliche Bestimmungen verstößt (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 PUDLV) oder rassendiskriminierendes Gedankengut enthält (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 PUDLV). Dazu hatte die Deutsche Post jedoch nichts vorgetragen.

Urteil vom 20. September 2012 ­ I ZR 116/11 -

LG Leipzig - Urteil vom 22. Dezember 2010 ­ 1 O 1114/10

OLG Dresden - Urteil vom 26. Mai 2011 ­ 8 U 147/11

Karlsruhe, den 20. September 2012

*§1 PUDLV - Universaldienst

(1)Als Universaldienstleistungen werden folgende Postdienstleistungen bestimmt:

1.…

2.…

3.die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften im Sinne des § 4 Nr. 1 Buchstabe c des Gesetzes. Hierzu zählen periodisch erscheinende Druckschriften, die zu dem Zwecke herausgegeben werden, die Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit- oder Fachfragen durch presseübliche Berichterstattung zu unterrichten.

**§ 3 PDLV - Kontrahierungszwang bei Universaldienstleistungen

Soweit ein Unternehmen Postdienstleistungen aufgrund einer Verpflichtung zum Universaldienst nach § 13 oder § 14 des Postgesetzes oder diese Leistungen nach § 56 des Postgesetzes erbringt, hat der Kunde gegen dieses Unternehmen im Rahmen der Gesetze und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Anspruch auf Erbringung der entsprechenden Leistungen.

***§ 4 PostG – Begriffsbestimmungen

Für dieses Gesetz gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

1.Postdienstleistungen im Sinne dieses Gesetzes sind folgende gewerbsmäßig erbrachte Dienstleistungen:

a)die Beförderung von Briefsendungen,

b)die Beförderung von adressierten Paketen, deren Einzelgewicht 20 Kilogramm nicht übersteigt, oder

c)die Beförderung von Büchern, Katalogen, Zeitungen oder Zeitschriften, soweit sie durch Unternehmen erfolgt, die Postdienstleistungen nach Buchstabe a oder b erbringen.

2.Briefsendungen sind adressierte schriftliche Mitteilungen. Kataloge und wiederkehrend erscheinende Druckschriften wie Zeitungen und Zeitschriften sind keine schriftlichen Mitteilungen im Sinne des Satzes 1. Mitteilungen, die den Empfänger nicht mit Namen bezeichnen, sondern lediglich mit einer Sammelbezeichnung von Wohnung oder Geschäftssitz versehen sind, sind nicht adressiert im Sinne des Satzes 1.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501